Der Weg zum Spitzensilvaner – ein Leitfaden für Winzer und Kellermeister von Prof. Dr. Ulrich Fischer
Der Silvaner und die Launen im Keller
Zur Erzeugung eines Spitzenweines muss der Oenologe während der Weinbereitung aus den Trauben genau die sensorischen Eigenschaften herausarbeiten, die bei der Verkostung den Weinfachleuten, Journalisten und Weinkunden ein herausragendes Qualitätserlebnis vermitteln können. Am Anfang der kellerwirtschaftlichen Geburt eines Spitzenweines steht somit die Idee eines Spitzenweines, also eine möglichst konkrete Vorstellung wie der spätere Spitzenwein zu schmecken hat. Daraus entwickelt sich ein Konzept verschiedener kellerwirtschaftlicher Maßnahmen, die am Ende einen Spitzenwein entstehen lässt.
In der Frage, was aber ein Spitzenwein auszeichnet scheiden sich bereits die Geister: Während in Deutschland die besonders gelungene Verkörperung des Sortencharakters z.B. eines Silvaners oder Rieslings im Vordergrund steht, glaubt der Franzose, dass es eines besonderen Terroirs, also des Einflusses des Bodens und Kleinklimas einer bestimmten Weinbergslage bedarf, um einen Spitzenwein zu erzeugen. Folgerichtig sollte dieser sensorisch stark von der Lage und vom Boden geprägt werden. Die Philosophie der Neuen Welt hingegen lautet Komplexität, denn erst die Vielfalt einer möglichst breiten Palette an Geruchs- und Geschmacksnuancen hebt einen Spitzenwein von der Masse ab.
Die Trauben im Weinberg
Das Traubenmaterial sollte möglichst reif und gesund sein. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einem Maximum an Grad Oechsle, denn über 100°Oe ist, zumindest bei den meisten Trauben, eine weitere Anreicherung nur über Botrytis-Befall möglich. Der Botrytispilz vermindert aber durch seinen Stoffwechsel und die Oxidation von Traubeninhaltsstoffen das Sortenaroma der jeweiligen Rebsorte und setzt eigene Duftmarken, die verstärkt mit Honig, Karamell und leider auch dumpfen Noten einhergehen, von Bräunungen und bitteren Noten bei der Lagerung mal ganz abgesehen. Daher sollte das Traubenmaterial so gesund wie möglich sein, maximal 10% botrytisfaule Beeren sind akzeptabel. Bei der Lese sollte dementsprechend eine gründliche Negativ-Selektion durchgeführt werden.
Die Trauben im Kelterhaus
Im Kelterhaus sollte dies nochmals überprüft werden, in dem die Trauben auf Verlesebändern begutachtet und faule Trauben herausgenommen werden. All dies erfordert eine schonende Handlese und Transport in möglichst kleinen Einheitsbehältern oder Kisten.
Wenn die Sortentypizität und das Terroir in der Traube steckt, sollte die weitere Traubenverarbeitung sicher stellen, dass den Aromastoffen und ihren Vorläufern ausreichend Zeit gegeben wird, um aus der Traubenhaut, wo sie gespeichert vorliegen, in den Most übertreten zu können. Daher sollte, mit wenigen Ausnahmen, auf die Ganztraubenpressung verzichtet und stattdessen eine 6 bis 24-stündige Maischestandzeit gewählt werden.
Eine Ausnahme bilden sehr säurearme Trauben, bei denen es wichtiger ist, die Säure durch eine Ganztraubenpressung zu erhalten, als ein Mehr an Sortenaroma zu erzielen. Hier spielt auch die Rebsorte eine gewisse Rolle, da der Riesling oder Silvaner viel stärker vom in der Traube gebildeten Aroma geprägt wird, als beispielsweise ein Chardonnay. Mittels eines sehr schonenden Traubentransportes und Einmaischens muss die Gerbstoffaufnahme so gering wie möglich gehalten werden, auch eine Entfernung der Rappen ist sinnvoll.
Der Most im Keller
Dem Grundsatz verpflichtet, alle Eingriffe aus dem empfindlichen Weinstadium in das robustere Trauben- oder Moststadium zu verlegen, sollten vorbeugende Gerbstoff-, Eiweiß- und schwache Kohleschönungen, wenn überhaupt notwendig, im Most erfolgen. Eine sehr starke Vorklärung ist absolute Pflicht, wobei zur Wahl das Absitzenlassen, die Flotation oder die Filtration mit Hefe- oder Kieselgurfilter stehen. Der Separator sollte in der Spitzenweinerzeugung keine Anwendung finden.
Da über die Maischestandzeit viele Aromastoffvorläufer in den Most übergegangen sind, bedarf es des Trubes weder zur Verstärkung des Sortenaromas, noch zur Unterstützung der Gärung. Diese wird gewährleistet durch ausreichende Mengen (20 g/hl) an einer, auch bei niedrigeren Temperaturen, leistungsfähigen Reinzuchthefe sowie einer Gabe von Vitamin B1 und in trockenen Jahren auch von Hefenährsalzen und Heferinden. Zur Steigerung der Komplexität können kleinere Gebinde von verschiedenen Hefestämmen vergoren werden.
Die Gärkühlung sorgt für Gärtemperaturen unterhalb von 18°C mit dem Ziel eine langsame, über drei Wochen oder länger gestreckte Gärung zu realisieren. Werden die Moste im Barrique vergoren, sollten kühlere Räume gewählt werden. Der Kopfraum sollte so gering wie möglich gewählt werden. In Jahren ohne Trockenstress und damit nur geringer Eiweißbildung im Most, entsteht kaum Schaum und man kann die Behälter fast spundvoll legen. Im letzten Viertel der Gärung sollte ganz auf die Kühlung verzichtet werden, um das Durchgären sicherzustellen. Gleichzeitig sollte das Gebinde spundvoll gelegt werden, um das Auswaschen der Aromastoffe zu vermeiden. Zum Erhalt von einigen Gramm Restzucker als Fructose steht beim Spitzenwein nur der Gärstopp mittels Kühlung zur Verfügung, da die Hefe noch gebraucht wird. Da Sauerstoff mit fallenden Temperaturen besser löslich wird, muss der Tank bereits spundvoll sein.
Der Jungwein im Keller
Aufgrund der guten Vorklärung kann nun der Spitzenwein 1 bis 3 Monate ungeschwefelt auf der Vollhefe liegen. Die Abgabe von Inhaltsstoffen der Hefezellmembran verleiht dem Wein Körper und das Fehlen der SO2 fördert die aromatische Entwicklung der Weine.
Mit dem ersten Abstich erfolgt eine Schwefelung mit 60 bis 80 mg/L und der Wein verbleibt auf der Feinhefe. Dank der ausreichenden Zeit für die Selbstklärung bedarf es nur einer scharfen Filtration im Januar oder Februar. Grundsätzlich sollten zwei Ausbaulinien unterschieden werden. Soll die Sortentypizität im Vordergrund stehen, erfolgt der erste Abstich noch im alten Jahr, u.a. um einen BSA zu vermeiden, und der Weinausbau erfolgt in Edelstahltanks.
Steht bei den Burgundertypen hingegen die Komplexität und hohe sensorische Stabilität im Vordergrund, sollten zumindest Teilmengen des Weines einem BSA unterzogen werden und der Wein möglichst lange ungeschwefelt auf der gesunden Vollhefe verbleiben. Wird diese regelmäßig aufgerührt, schützt auch sie den Wein sehr gut gegen Oxidation. Trotzdem reift der Wein gut aus und da gewisse Oxidationsvorgänge bereits im Fass ablaufen, können sie später nicht mehr auf der Flasche stattfinden, was eine ausgezeichnete Stabilität und Lagerungsfähigkeit verleiht.
Auf Schönungen im Wein sollte zum Schutz der Aroma- und Geschmacksnoten gänzlich verzichtet werden, da die ganze Traubenverarbeitung sehr schonend gestaltet wurde und was nötig war, bereits im Moststadium geschönt wurde. Eine Ausnahme können kleinere Kupfergaben beim Auftreten leichter Böckser sein. Dem Ideal der Komplexität folgend, sind Cuvees unterschiedlicher Lagen aber auch der unschädliche Verschnitt mit wertvollen anderen Rebsorten überdenkenswert, was natürlich dem Terroirgedanken widerspricht.
Die Abfüllung in Flaschen
Bei der Füllung muss zur Einstellung der freien SO2 der pH-Wert beachtet werden. Weine mit pH 3,2 und darunter dürfen nicht mehr als 40 mg/L freie SO2 erhalten, da diese sensorisch wahrnehmbar ist und auch nicht gebraucht wird. Bei höheren pH-Werten kann die freie SO2 auch auf 50 mg/L eingestellt werden. Werden Burgunderweine im Barrique etwas oxidativer ausgebaut, so kommt es auf der Flasche kaum mehr zu einer SO2-Zehrung die freie SO2 kann unterhalb von 40 mg/L liegen.
Nach der fachgerechten Füllung ist unbedingt nach der Verkorkung auf Standzeit von mehr als 1 Minute besser aber 5 Minuten zu achten, so dass der stark komprimierte Korken ausreichend Zeit zum Ausdehnen erhält und sich dicht an den Flaschenhals pressen kann. Dies verhindert zusammen mit einem einwandfreien Korkschloss die lästigen Ausläufer. Bei der anschließenden Lagerung müssen größere Temperaturschwankungen und zu trockene Räume vermieden werden.
Ohne Zweifel erwarten Verbraucher von Spitzenweinen ein sehr hohes Alterungspotenzial. Sicherlich wird geschätzt, dass die Weine schon früh trinkreif sind, aber sie sollten sich mindestens 5, besser 10 Jahre positiv auf der Flasche entwickeln können. Hier gilt es für die Zukunft, gerade im Bereich der trockenen Weißweine, eine Wissenslücke zu schließen und eine Kultur des sowohl jung, als auch gereift bei unseren Kunden und uns Oenologen selbst zu entwickeln.
Prof. Dr. Ulrich Fischer
DLR - Rheinpfalz - Abteilung Weinbau und Oenologie